Villnösstal vom 2.10.1990 - 5.10.1990
Überraschende Begegnung mit einem Schriftsteller und überraschender Wintereinbruch!
Eigentlich war diese Jahr der Watzmann vorgesehen, aber Krankheiten und Terminschwierigkeiten verschoben unsere Wanderpläne immer später ins Jahr. Da die meisten Hütten in den Alpen ab Mitte September schließen, waren wir "gezwungen" kurzfristig in unsere geliebten Dolomiten auszuweichen. Diesmal waren wir zu Viert unterwegs.
1) Dienstag, 02. Oktober 1990 (Niefern - Brenner - Klausen - St.
Magdalena (Villnösstal))
Abfahrt in Niefern um 7.15 Uhr,
Ankunft im Villnösstal um 14.00 Uhr, Entfernung 460km.
Das Villnösstal ist ca.16 km lang, der Hauptort St. Peter liegt
ungefähr in der Talmitte. Es ist der Geburtsort von Reinhold
Messner. Um 14.00 Uhr erreichten wir St. Magdalena und stellten
das Auto neben dem Ranui-Müller-Hof ab und fotografierten
ausgiebig das bekannte Barockkirchlein St. Johann in Ranui. Das
zierliche Gotteshaus, erbaut auf den grünen Wiesen unterhalb der
imposanten Felskulisse der Geisler-Spitzen entstand 1724 unter
Michael v. Jenner. Es gehört zu den meist fotografierten Motiven
in den Dolomiten. Nach diesem "Fototermin" fuhren wir
die letzten Kilometer hoch zu Zannser Alm (1695m), wo wir das
Auto endgültig abstellten.
Bei leichtem Regen mit Sonnenschein machten wir uns auf den Weg
zur Schlüterhütte. Wir waren jetzt im Naturpark Puez-Geisler.
Auf einer bequemen Forststraße marschierten wir zur Gampenalm
(2062m). Sie ist die größte aller Villnösser Almen und im
Sommer weiden hier über 200 Stück Vieh. Sie ist bewirtschaftet
und bietet auch Unterkunft.
Das Gras hatte sich bereits brau verfärbt und auch die Nadeln
der vielen Lärchen hatten schon einen Gelbton angenommen und
fielen ab. Der Winter kündigte sein baldiges Kommen an. Von der
Alm aus konnten wir bereist unser heutiges Ziel erblicken. Die
letzten 230 Höhenmeter bis zur Schlüterhütte, Rifugio Genova
(2297m) marschierten wir auf dem steinigen Fahrweg und erreichten
um 17.00 Uhr unsere Unterkunft für die nächsten Tage. Wir
erhielten anstandslos unser vorbestelltes Vierbett-Zimmer. Es
roch überall nach Farbe und Bohnerwachs. Wir erfuhren, dass die
Hütte nächste Woche geschlossen, und jetzt schon der Großputz
für die kommende Saison gemacht wurde.
Beim Abendessen lernten wir den Wirt und seine Frau kennen. Beide
waren noch relativ jung und uns gleich sympathisch. Außer uns
befanden sich nur noch 2 weiter Leute im Gastraum, d.h. wir waren
insgesamt zu sechst auf der Hütte. Nach dem Abendessen
unterhielten wir uns noch einige Zeit mit der Wirtin. Sie
erzählte uns, dass die Tische aus einem alten Schiff stammten
und dass sie Probleme mit der altersschwachen Wasserleitung
haben. Auf unsere Frage, ob sie uns morgen Abend eine echte
Südtiroler Spezialität kochen würde, willigte sie zu unserer
Überraschung sofort ein, aber mit der Einschränkung, nur, wenn
sie frischen Spinat auftreiben könnte. Um 22.00 Uhr gingen wir
aufs Zimmer.
2) Mittwoch, 03. Oktober 1990 (Schlüterhütte - Günther Messner
Steig - Schlüterhütte)
Um 6.30 Uhr sind wir aufgestanden
und waren um 7.00 Uhr beim Frühstück. Heute stand der
Günther-Messner-Steig auf unserem Programm. Nach einer Idee der
Sektion Villnöss und unter Mithilfe von Reinhold und Siegfried
Messner wurde 1979 der Günther-Messner-Steig angelegt, zum
Gedenken an den Villnösser Günther Messner der in Begleitung
seines Bruders Reinhold, im Juli 1970 beim Abstieg vom Nanga
Parbat tödlich verunglückte. Bei gutem Wetter ist die Tour
problemlos und landschaftlich eindrucksvoll. Da es unterwegs
keine Wasserstelle gibt, sollte man genügt Flüssigkeit
mitnehmen.
Kurz vor der Peitlerscharte zweigte links ein steiler,
unscheinbarer Steig ab. Über Wiesen- und Schroffengelände kamen
wir zu einer langen Eisenleiter. Die Sonne kämpfte sich mühsam
durch den Nebel, aber ihre Kraft reichte aus, uns herrliche
Ausblicke auf Peitlerkofel, Geislergruppe und ins Villnösstal zu
gewähren. Wir entdeckten Unmengen an Edelweiße, leider waren
sie fast alle schon verblüht. Mit einem kurzen Abstecher, kann
man den Wälschen Ring (2646m) besteigen. Dann folgte die
schwierigste Passage. An einem 50m langen Drahtseil ging es steil
hinunter in eine Scharte. Hier konnten wir endlich unser neues
Klettersteigset ausprobieren. Wir befanden uns nun in einem
Schotterkessel unterhalb des Tullen. Ein 20-minütiger Aufstieg
brachte uns um 12.00 Uhr auf den Gipfel des Tullen (2653m).
In einem weiten Bogen durchwanderten wir eine Almfläche, wo sich
uns ein prächtiger Blick auf die Ruefen-Gruppe bot. Auf ca.
2200m Höhe zweigte der Weg Nr. 32A nach links ab, der
über die Gampenalm zur Schlüterhütte führte. Vor uns lag
ein Abstieg von 400 Höhenmetern vom Oberen Herrnsteig
hinunter ins Tal des Caseri-Baches. Es war jetzt ziemlich warm
geworden und wir waren froh, unseren Durst an einem Brunnen neben
dem Caseril-Bach stillen zu können. Noch mehr freuten wir uns
aber auf ein kühles Bier auf der Gampenalm, die wir um 15.00 Uhr
erreichten. Kaum hatten wir das erste Radler getrunken, wurde ein
Wettwandern vorgeschlagen: Auf welchem Weg kommt man schneller
zur Schlüterhütte, auf dem Fahrweg, den wir gestern schon
gingen, oder auf dem steilen, kürzeren Pfad über die
Grashänge? Ich entschied mich für den Fahrweg, die Drei anderen
nahmen den steilen Pfad. Am Anfang hatten die Drei einen großen
Vorsprung, aber als sie zum Steilstück kamen, holte ich zügig
auf und ich war sogar noch etwas früher als sie, um 16.00 Uhr,
auf der Schlüterhütte. Ich war noch relativ frisch, die
Abkürzer aber völlig ausgepumpt.
Wir hatten heute einen wunderschönen Wandertag verbracht, das
Wetter war ideal, die Tour landschaftlich eindrucksvoll und von
der Schwierigkeit gerade recht. Nach unserer Ankunft auf der
Hütte leisteten wir uns den Luxus einer warmen Dusche.
In der Gaststube kamen wir sofort mit einem bärtigen
Naturburschen ins Gespräch, es sollte ein interessanter und
kurzweiliger Hüttenabend werden. 25 Personen hatten sich heut
zum Übernachten eingefunden, aber leider gab es keine
Südtiroler Spezialitäten, nur einfache Spaghetti. An diesem
Abend saßen wir bis 22.30 Uhr mit dem Journalist Jürgen König
und dem Wirt Günther Messner zusammen. Jürgen schreibt Artikel
für GEO, Playboy und andere Blätter, sowie Drehbücher und
Bücher. Er hatte hier um die Ecke, auf der Malga Furcia Puez-Geisler 1994 auf der Medalgesalm,
zusammen mit seinem Hund "Schnaps", ein ganzen Jahr
gelebt und darüber im GEO-Heft August 1990 und in seinem Buch
Medalges (Ein Jahr in den
bleichen Bergen) berichtet. Ein wirklich lesenswertes Buch:
witzig, spannend, geschrieben voller Liebe zu Land und Leute.
Auch der Wirt Günther erzählte uns interessante Geschichten aus
seinem Leben als Hüttenwirt und als Skilehrer. Es war wirklich
ein gelungener Hüttenabend.
3) Donnerstag, 04. Oktober 1990 (Schlüterhütte - Peitlerkofel -
Schlüterhütte)
Nach dem Frühstück
verabschiedeten wir uns von Jürgen König und machten uns um
8.30 Uhr mit leichtem Gepäck, bei Nieselregen und Nebel auf zum
Hausberg der Schlüterhütte, dem Peitlerkofel. An schönen Tagen
meinte gestern die Wirtin, sei der Berg so überlaufen, dass man
eine Ampelregelung einführen müsste. Dies war heute bestimmt
nicht notwendig. Nach 30 Minuten erreichten wir die
Peitlersscharte. Durch den Nebel konnten wir nur schemenhaft die
umliegenden Berge erkennen. Ab der Peitlerscharte ging es dann in
vielen Serpentinen über Schroffengelände hinauf in die Scharte
zwischen West- und Ostgipfel. Über eine kurze, aber gut
versicherte Stufe führte der Steig aufwärts zum breiten, mit
Schutt bedeckten Gipfel. Um 10.00 Uhr standen wir vor dem
eisernen Gipfelkreuz (2874m) mit der Madonna.
Bei diesem schlechten Wetter leisteten wir uns nur ein kurze
Gipfelrast. Auf der ganzen Tour trafen wir nur auf vier Wanderer.
Eine Viertelstunde vor der Hütte kamen wir in einen gewaltigen
Regenguss. Klatschnass erreichten wir um 13.15 Uhr die
Schlüterhütte. Apfelstrudel und Kaffee erwärmten unsere
Gemüter und so machte ich mich, nachdem der Regen nachgelassen
hatte, noch auf zu einer kurzen Gipfeltour zum Zendleser Kofel
(24422m). Ich suchte auch nach Jürgens Malga Furcia, aber leider
war im Campilltal der Nebel so dick, dass ich unverrichteter
Dinge zur Schlüterhütte zurückkehren musste.
Die Messners und ihre Crew hatten sich mächtig angestrengt und
uns ein tolles Abendessen gezaubert. Ein echtes südtiroler
Bauernessen: Kasnocken (Semmelknödel mit Käse) und
Schlurtzkrapfen (kleine Maultaschen mit Spinatfüllung) mit viel
Butter und Parmesankäse überschmelzt. Es schmeckte vorzüglich
und machte unglaublich satt.
Das Wetter verschlechterte sich immer mehr und Günther meinte,
wir hätten gute Chancen auf Schnee. Eigentlich wollten wir
morgen über das Kreuzjoch zu Wasserscharte und weiter zur
Panascharte und zur Broglesalm. Gehzeit ca. 5 Stunden, aber bei
schlechtem Wetter mussten wir uns etwas anderes überlegen. Um
22.00 Uhr gingen wir aufs Zimmer.
4) Freitag, 05. Oktober 1990 (Villnösstal - Kloster Ettal - Kempten-
Niefern)
Als wir aufwachten lag Schnee auf
dem Fensterbrett und draußen war ein heftiges Schneetreiben. Wir
hatten 10cm Neuschnee und -2°C. Kurz entschlossen entschieden
wir uns fürs Absteigen. Es hatte keinen Sinn sich bei diesem
schlechten Wetter bis zur Broglesalm durchzuschlagen und die
weiteren Wetteraussichten waren bescheiden. Um 8.00 Uhr
verließen wir die Schlüterhütte und machten uns an den Abstieg
zur Zannser Alm. Günther hatte mit seinem Jeep denselben Weg, er
musste zur Sicherheit sogar Ketten anlegen.
An der Gampenalm ging der Schnee bereits in Regen über. Um 11.00
Uhr fuhren wir vom Parkplatz bei der Zanseralm ab. In St. Peter
kauften wir noch einige Mitbringsel ein: Käse, Wein, Brot und
Speck, ehe wir uns auf den Weg zum Brenner machten. Je weiter wir
uns vom Villnösstal entfernten, desto besser wurde das Wetter.
Da wir recht früh dran waren, machten wir in Ettal um 15.30 Uhr
eine "Kulturpause" und besuchten das weltberühmte
Kloster. Viele Touristen aus aller Welt waren hier, um sich
dieses Kleinod der Rokokoepoche anzusehen. Die Fresken und
Malereien im Innern der Kirche sind wirklich einmalig schön. Um
17.15 Uhr verließen wir Ettal und fuhren über Oberammergau und
Marktoberdorf nach Kempten. Erst um 21.00 Uhr erreichten wir
Niefern.
[Villnösstal] (allgemein)
[Villnösstal] (Bilder)
[Schlüterhütte]
[Günther-Messner-Steig]
[Peitlerkofel]
[Schlutzkrapfen] (Spinatravioli)
[Kasnocken]
[Kloster Ettal]