Erlebnisbericht über meine vierwöchige Famulatur im Fewa City Hospital in Pokhara
Das [Fewa City Hospital] ist die beste Privatklinik in Pokhara mit 30 Betten und ca. 5 min mit dem Motorrad von Lake Side entfernt. Es gibt eine Notfall-Ambulanz, OP, Labor, Röntgen und eine Bettenstation. Fachärzte für Orthopädie, Radiologie, Chirurgie, Innere, Kinderheilkunde, Kieferchirurgie, Urologie und Anästhesie, sowie Assistenzärzte für die Notaufnahme sind hier beschäftigt. Das Krankenhaus ist recht neu und befindet sich in einem ehemaligen Hotel.
Alltag:
Jeden Morgen fuhr ich um 7:30 Uhr mit dem Bus von Lake Side
zum Krankenhaus (7 RS). Man steigt einfach an der
Ampelkreuzung aus. Wenn der Bus nicht von alleine hält,
muss man nur pfeifen, dann weiß der Fahrer Bescheid, dass jemand
aussteigen will. Vor dem Krankenhaus stehen meist schon die
Angehörigen an der Apotheke Schlange. Um 8 Uhr ist
Runde in der Notaufnahme: 11 Betten, 1 Arzt und 2
Assistenten. Die Ambulanz ist immer gut besucht. Angehörige
drängen sich um die Patienten, versorgen sie mit Essen und
kaufen die nötigen Medikamente ein. Wir gehen durch die
Station. Der Internist stellt mir ein paar Fragen zu einer
Patientin mit Lungenentzündung. An das Nepali-Englisch muss man
sich erst gewöhnen. Ein Patient hat Kopfschmerzen und Fieber,
der Arzt ordnet ein Röntgenbild des Schädels an.
Verdachtsdiagnose: Sinusitis. Die Aufnahme kostet 500 Rs und muss
vom Patienten selbst bezahlt werden, ebenso jedes Medikament, die
Untersuchungsgebühr, jede Spritze usw.
Anschließend gehen wir durch die Bettenstation. Der Chirurg
zeigt mir einen ungewöhnlichen Fall. Eine Patientin, die er am
Vorabend wegen einer Gallengangstenose operiert hat. Im
Gallengang fanden sich Würmer. Der Patientin geht es relativ
gut, sie hat noch 2 Drainagen in der Bauchhöhle. Der behandelnde
Arzt will diesen Fall publizieren. Schließlich heißt das
Krankenhaus ja auch Fewa City Hospital and Research.
Nach der Runde am Morgen gehen die Fachärzte meist ins
staatliche Krankenhaus, um dort zu arbeiten. Dann ist die
Notaufnahme nur mit einem Assistenzarzt besetzt. Fachärztliche
Konzile und Operationen müssen dann bis zum Abend warten. Kaum
sind die Consultings weg, kommt ein junger Mann
(17Jahre) mit einem akuten Scrotum. DD Hodentorsion, Hernie oder
Orchitis? Der Urologe ist schon fort; wir müssen warten, bis er
am Abend wiederkommt. Gegen die Schmerzen bekommt der Patient
erst Diclo, danach Tramadol i.m. Ich frage nach, ob man zur
Diagnose keinen Ultraschall vom Hoden machen könnte. Falls es
eine Hodentorsion ist, sollte man doch zügig operieren! Die
Antwort: Kann man, macht man aber in Nepal nicht. Wir
warten weiter. Als der Radiologe um 16.00 Uhr zurück ist,
entscheidet man sich doch, ein Sono zu machen. Immerhin gibt es
hier ein modernes Sono mit Doppler. Um 18:00 sind der Urologe und
die Anästhesistin zurück, die OP kann endlich beginnen; nach 9
Stunden Warten!
Ich schaue dem Orthopäden zu, der eine kindliche Humerusfraktur
mit K-Drähten richtet. Er erklärt mir: In Deutschland
schaut ihr mit Röntgen nach, ob die Fraktur richtig steht. Hier
machen wir einen Hautschnitt, präparieren auf den Knochen
herunter und sehen dann, ob die Fraktur gut gerichtet ist.
Das Kind tut mir leid. Wenn es aufwacht wird es mehr Schmerzen
als nötig haben, nur weil es im OP kein Röntgengerät gibt.
Auch die Narkose ist sehr interessant: Man nehme etwas Ketanest
und lasse das Kind einschlafen. Dann hält man ab und zu die Hand
vor Mund und Nase um zu sehen, ob es noch atmet. Auf Sauerstoff,
Pulsoxy, Blutdruck und EKG verzichtet man großzügig. Na ja,
aber immer noch besser als in Krankenhäusern außerhalb der
größeren Städte, wo die Äthernarkosen noch Standard sind.
Unterschiede zu Europa:
Vieles ist in Nepal anders als in Europa, vor allem muss
gespart werden. Die Patienten haben meistens wenig Geld und so
muss man mit dem Nötigsten auskommen. Bei uns ist es
selbstverständlich, alle Produkte im Überfluss vorrätig zu
haben. Kein Patient muss sich darum sorgen. Zum Beispiel habe ich
bei einem Patienten einen periphervenösen Zugang verpatzt. In
Deutschland werfe ich die Kanüle einfach weg und nehme eine
neue. In Nepal hat der Patient die Kanüle selbst bezahlt und er
will natürlich keine neue kaufen. Also wird sie durchgespült
und wieder verwendet, bis sie sitzt.
Es gibt aber auch positive Beispiele: So ist Fewa City
Hospital das einzige Zentrum in Pokhara, das eine laparaskopische
Cholezystektomie anbietet. Und das kann der Chirurg sehr gut,
wenn es sein muss auch nur mit einer Instrumentierschwester
zusammen. Auf sein Endoskop aus Deutschland ist er besonders
Stolz.
Die häufigsten Erkrankungen in Nepal sind:
- Enteric Fever
- COPD
- Cholezystolitiasis
- KHK
- Typhus
- Pneumonie
- Diarrhoe
- (seltener: Malaria, Tuberkulose, Lepra)
Wenn man die Symptome dieser Krankheiten kennt und erkennt, kommt
man schon ganz gut zurecht.
Problem Sprache:
Ein großes Problem war allerdings die Verständigung. Zwar
wird am Krankenbett Englisch gesprochen, aber nur wenige der
Patienten können Englisch. Es ist also sinnvoll, ein paar
Brocken basics zu lernen, wie z.B.:
- Wie geht es ihnen? = Tapailai kasto cha?
- Tut das weh? = Dukka cha?
- gut = ramro
Einige medizinische Besonderheiten, die man in Nepal
beachten sollte:
- Die Lunge wird von vorne abgehört, nicht wie bei uns von
hinten. Auch durch die Brust hindurch!
- Dem internistischen Patienten IMMER in die
Augen schauen, sonst ist man kein guter Arzt. Egal was der
Patient hat. Achte auf Ikterus und trockenes Auge (Zeichen
für Exikose)
- Bei Fieber immer Meningitis-Zeichen checken!
- Milz tastet man in rechter Seitenlage bei tiefer Exspiration.
Das wird sehr gründlich praktiziert.
- Kopfschmerzen, evtl. mit Fieber oder Trigeminusdruckschmerz ist
verdächtig auf Sinusitis. X-Ray vom Schädel!
- Bei enteric fever immer trippel-Antibiose aus: Metro, Cipro und
Amikacin.
-Ampullen haben keine Sollbruchstelle, sie werden aufgeschlagen.
-Handschuhe werden aus Kostengründen resterilisiert. Meist nur
in Größe 7 vorhanden, wenn man viel mitoperieren will evtl.
eigene mitbringen.
- in Nepal schlucken alle Vitamine (B12), weil sie stark
machen.
- CT ist für Patienten eine Behandlung! (Wurde CT gemacht? Dann
bist du ja gut behandelt)
Fazit:
Ich fand die Famulatur sehr interessant und lehrreich. Vor
allem weil hier vieles anders läuft als in Deutschland und man
lernt, auch mit einfachen Mitteln Medizin zu praktizieren. Wer
allerdings meint, als deutscher Student nach Nepal zu kommen und
alles selbst machen zu dürfen (operieren, Geburten,...), der
täuscht sich. Patienten in Nepal sind keine Versuchskaninchen
für deutsche Studenten! In der Regel darf man eher weniger
praktisch arbeiten als in Deutschland. Dafür sieht man viele
Krankheitsbilder, die in Deutschland selten sind. Man lernt hier,
dass es nicht überall selbstverständlich ist, dass einem
jederzeit die komplette Palette an medizinischer Versorgung zu
Verfügung steht. Daher ist eine solche Famulatur immer
empfehlenswert.
Daniel
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