Heilbronner Weg & Jubiläumsweg vom 08. September - 12. September 1988
Die Haute Route des Allgäus, unsere erste gemeinsame Bergtour
Einleitung: Schon lange schwirrte mir die Idee von einer Bergtour im Kopf herum. Ich war schon einige Zeit Mitglied in der DAV-Sektion Pforzheim, las Bergmagazine und Bergbücher, studierte Karten und Hüttenführer, aber es fehlte mir ein geeigneter Partner. Irgendwann kam ich mit Reinhard auf das Thema Berge zu sprechen und da stellte sich heraus, dass auch er starkes Interesse an einer Bergtour hatte. Da wir Beide auch etwas "kraxeln" wollten, aber noch keinerlei Bergerfahrung hatten, suchten wir uns für unsere erste gemeinsame Bergtour einen Klassiker aus; den Heilbronner Höhenweg im Allgäu, eine Tour im gemäßigten Schwierigkeitsgrad.
Geschichtliches zum Heilbronner Weg: Nachdem
die Sektion Kempten die Rappenseehütte (1885) und die Kemptner
Hütte (1891) gebaut hatten, fehlte ihnen das Geld für einen
Verbindungsweg. Die Sektion Heilbronn sprang ein und stellte
durch Ausgabe von 150 Anteilscheinen zu je 20 Goldmark, sowie 500
Mark aus Vereinsmitteln und einem Zuschuss von 1000 Mark
vom DÖAV die Finanzierung sicher.
Mit dem Bau des Verbindungsweges sollte im Herbst 1897 begonnen
werden und die Einweihung sollte im August 1898 erfolgen. Aber in
Folge von Schlechtwetterperioden und Bauschwierigkeiten wurde der
Höhenweg erst am 22. und am 23. Juli 1899 eröffnet und
eingeweiht. Statt 4500 kostete der Weg über 8500 Goldmark. Das
Geld wurde bis auf 2000 Goldmark, das der Zentrale Ausschuß gab,
allein von der Sektion Heilbronn aufgebracht, die auch heute noch
den Weg unterhält. Der Heilbronner Weg ist die höchste alpine
Steiganlage in den Allgäuer Alpen.
1) Donnerstag, 08. September 1988 (Niefern-Oberstdorf-Rappenseehütte)
Abfahrt in Niefern um 6.15 Uhr.
Nach 2.5 Stunden und 260 km erreichten wir Oberstdorf und fuhren
gleich mit dem Bus nach Birgsau (949m). Um 10.00 Uhr
marschierten wir bei herrlichem Sonnenschein in Richtung
Einödsbach los. Ein Wirtshaus, über dessen Terrasse
gemeinerweise der Wanderweg
verlief, lud zu einer Pause
und zu einem Bierchen ein. Leider hatten wir nicht mit den Folgen für unsere
Kondition gedacht. Der anschließende stramme Aufstieg zur
Enzianhütte (1780m) ging uns ganz schön an die Substanz. Nach 3 Wanderstunden
erreichten wir völlig ausgepumpt und verschwitz die private
Hütte.
Der Weiterweg querte einige Tobel
mit Altschneeresten, für uns Anfänger damals eine echte
Herausforderung. Es folgte ein letzter steiler Anstieg über
Grasmatten und nach 1,5 Stunden ab der Enzianhütte, standen wir
um 15.30 Uhr urplötzlich vor der Rappenseehütte (2091m). Für
uns war alles absolutes Neuland: das Eintragen ins Hüttenbuch,
das Abstellen der Bergschuhe im Stiefelregal und das Verteilen
der Lager. Nachdem wir mit allem fertig waren machten wir noch
einen kleinen Spaziergang um den Rappensee, beobachteten
Murmeltiere und bewunderten die wunderschönen Bergblumen
(Katzendistel, Enzian und Speik). Um 19.00 Uhr gab es Abendessen.
Damit wir besser einschlafen konnten, machten wir noch eine kurze
Runde um die Hütte. Wir hatten einen tollen Blick hinunter auf
die Lichter von Oberstdorf und auf das einsame Lichtlein am
gegenüberliegenden Berghang von der Mindelheimer Hütte. Wir
waren auf unsere erste Nacht in einer Berghütte gespannt. Ich
hatte schon viel darüber gelesen, aber so schrecklich hatte ich
es mir nicht vorgestellt. Laufend liefen Leute mit
Taschenlampen durch unser Lager. Am schlimmsten war der
Extremschnarcher in unserer Reihe. Er hörte sich an wie ein
Traktor kurz vor dem Zusammenbruch. Nachdem schon zwei Leute
geflüchtet waren, verzogen auch wir uns in ein anderes Lager.
Wir dösten höchsten vier Stunden vor uns hin und waren froh,
als es hell wurde und wir um 6.00 Uhr wieder aufstehen durften.
2) Freitag, 09. September 1988 (Rappenseehütte - Heilbronner Weg -
Kemptner Hütte)
Nachdem Frühstück starteten wir
um 7.30 Uhr bei herrlichem Wetter zur Königsetappe. Gleich nach
der Hütte, der erste steile, kurze Anstieg zur großen
Steinscharte (2263m) und weiter relativ eben bis an den Fuß des
Hohen Lichts (2651m). Eine nasse, oft vereiste,
drahtseilversicherte Rinne führte empor zur Wegeteilung
Heilbronner Weg links, Hohes Licht rechts, 1.5 Stunden ab der
Hütte. Da wir nicht wussten wie es mit unser Kondition
stand, verzichteten wir auf die Besteigung des Hohen Lichts. Das
tut mit heute noch leid!
Auf teilweise ausgesetzten Geröllbändern, quer durch die
steilen Nordabstürze des Hohen Lichts, verlief der Weg zum
Heilbronner Törl, einem engen Felsspalt, und weiter zur Kleinen
Steinscharte (2541m). Hier kamen wir in den Genuss der ersten
Morgensonne und eines herrlichen Blickes über die Lechtaler
Alpen. Eisenleiter und Hängebrücke erleichterten den Aufstieg
zum höchsten Punkts des Heilbronner Weges, auf den Gipfel des
Steinschartenkopfes (2615m). An der Socktalscharte (2446m) hat
man die Möglichkeit bei schlechtem Wetter zum Waltenberger Haus
abzusteigen. Der nun folgende Anstieg zum Bockkarkopf (2609m)
ging uns ganz schön an die Substanz. Auf dem Gipfel machten wir
unsere erste, aber wohlverdiente Rast.
An Drahtseilsicherungen ging es hinunter zur Bockkarscharte
(2504m), hier endete der Heilbronner Weg. Der Weiterweg zur
Kemptener Hütte ging nahezu eben über den Schwarzmilzferner.
Das Schneefeld liegt unterhalb der Mädelegabel (2645m), ist ca.
300m breit und absolut gefahrlos zu begehen. Wir waren müde und
verzichteten auf eine Besteigung der Mädelegabel. Über die
blumenreichen Matten der Schwarzen Milz und einen letzten
unangenehmen Abstieg erreichten wir um 15.00 Uhr die Kemptner
Hütte (1846m).
Es folgte die übliche Hüttenprozedur, dabei erfuhren wir, dass
der Extremschnarcher auch hier war, aber ihm gab der Hüttenwirt
vernünftigerweise gleich ein Einzelzimmer. Beim Abendessen
beeindruckte uns Petra die Tochter des Hüttenwirts beim Bedienen
noch mehr, als am Nachmittag. Alleine fertigte sie ca. 100 Gäste
im großen Speisesaal ab, war dabei immer freundlich und
unheimlich fix. Wir gingen bereits im 20.00 Uhr aufs Zimmer und
versuchten zu schlafen. Obwohl der Hüttenwirt energisch
für Ruhe sorgte konnten wir einfach nicht einschlafen, zuviel
Eindrücke und Gedanken mussten verarbeitet werden.
3) Samstag, 10. September 1988 (Kemptner Hütte - Prinz-Luitpold-Haus)
Um 7.00 Uhr machten wir uns auf die
längste Tagesetappe dieser Tour. Nach einem einstündigen
Anstieg waren wir auf dem Fürschießersattel (2207m). Wir hatten
die Zeit schon gestern Mittag von der Terrasse der Kemptner
Hütte aus gestoppt. Heute war leider Nebel angesagt. Nach einer
kurzen versicherten Passage entdeckten wir im Märzle viele
grasende Gemsen. Der Weg über das Kreuzeck (2375m) zum Rauheck
(2384m) war sehr anstrengend und der anschließende Abstieg zum
noch eisbedeckten Eissee (1826m) ging ganz schön in die Knie.
Nach einer kurzen Rast am See marschierten wir weiter in Richtung
Himmeleck. Langsam verzog sich der Nebel und die Sonne zeigte
sich vereinzelt. Zur Linken konnten wir einen der markantesten
Allgäuer Grasberge bewundern, die viergipfelige Höfats (2259m).
Der Aufstieg von der Wildenfeldhütte (1694m) hoch zum Himmeleck
(2007m) war brutal. Voll brannte jetzt die Sonne in den Hang und
unser Motor kam gewaltig zum Kochen. Völlig ausgepumpt
erreichten wir den Sattel, schnallten die Rucksäcke ab und
warfen uns einfach ins Gras.
Nachdem wir uns etwas regeneriert hatten ging es weiter über
liebliche Matten, immer im Blick der imposante Hochvogel (2593m),
hinunter zum tiefsten Punkt dieser Etappe, dem Bachgrieskar
(1597m). Der letzte Anstieg durch Bergerlengebüsch war besonders
schlimm, hier staute sich die Hitze, es war furchtbar schwül und
stickig. Endlich erreichten wir um 15.30 Uhr das
Prinz-Luitpold-Haus (1864m). Überall Menschenschlangen, beim
Lager verteilen, in der Wirtschaft, beim Hüttenbuch.... Der
Hüttenwirt war auch nicht besonders freundlich, aber wir waren
froh wenigstens 50cm Matratzenlagen erbeutet zu haben. Das Lager
befand sich unterhalb der Terrasse, war doppelstöckig und mit
mindestens 100 Leuten belegt. Na dann gute Nacht!
Nach einem recht schmackhaften Abendessen und guten Gesprächen
im Freien mit anderen Wanderern gingen wir um 21.00 Uhr müde ins
Lager. Im Haupthaus wurde gelärmt und gesungen, von Hüttenruhe
um 22.00 Uhr keine Spur. Um 23.00 Uhr kamen die letzten Leute ins
Lager, angetrunken und krakeelend. Einer kotzte auch noch in die
gute Stube. Wir lagen nicht Kopf an Kopf, sonder abwechselt Kopf
an Fuß, es war sehr eng. Weit nach Mitternacht schliefen wir
endlich ein (chemische Keule ??), wachten aber schon wieder um
5.00 Uhr auf. Um 6.00 Uhr krochen wir wie gerädert aus unseren
Schlafsäcken. War dies die viel gelobte Hüttenromantik?
Dies war sicher eine meiner schlimmsten Hüttennächte in meiner
jetzt schon langen Wanderkarriere. Selbst in den primitiven,
dünnwandigen Lodges in Nepal geht man wesentlich
rücksichtsvoller miteinander um.
4) Sonntag, 11. September 1988 (Prinz-Luitpold-Haus - Jubiläumsweg -
Willersalpe)
Der von der DAV-Sektion Immenstadt
angelegte Jubiläumsweg wurde 1899 zum 25. Geburtstag der Sektion
eröffnet. Dieser unschwierig begehbare, an großartigen
Ausblicken reiche Höhenweg, ist auch für weniger Geübte zu
empfehlen.
Kurz vor 7.00 Uhr machten wir uns auf den Weg. Die meisten Leute
gingen Richtung Hochvogel, während unsere Strecke nur wenig
frequentiert war. Der Weg bietet bis zur Lehnerkopfscharte
(1988m) außer einigen Auf- und Abstiegen und ein paar
Seilsicherungen keine Schwierigkeiten, dafür aber prächtige
Ausblicke. Es war auch heute sehr warm, wir konnten unsere kurzen
Hosen anziehen. Von der Lehnerkopfscharte hatten wir einen
herrlichen Blick auf den Schrecksee (1802m) und auf den weiteren
Wegverlauf bis zum Rauhhorn (2240m). Unten am See mussten wir
nach Wasser suchen, unser Vorrat ging zur Neige. Beim
gemütlichen Aufstieg zur Hinteren Schafswanne (1957m) zogen
dunkle Wolken auf, das Rauhhorn versteckte sich im Nebel und es
wurde merklich kühler. Wir genossen nur kurz den Blick hinunter
ins Tannheimer Tal und zum Vilsalpsee. Bei der Vorderen
Schafswanne ging es nochmals steil hinauf zum Gaißeckjoch
(2056m). Oben am Joch hatten wir wegen des dicken Nebels
Orientierungsprobleme, es fehlte auch ein Hinweisschild zur
Willersalpe. Es folgte noch ein schlimmer 600 Höhenmeter
Abstieg, ehe wir kurz nach 15.00 Uhr die wunderschön gelegene
Willersalpe (1456m) erreichten. Als erstes fiel uns das
Bushaltestellenschild auf, das sich als Gag des Senns
herausstellte. Die Alm war sehr einfach, aber liebevoll und
rustikal eingerichtet, es gab kein elektrisches Licht, dafür
aber eine geflieste Toilette.
Bei einer kurzen Erkundungsrunde entdeckten wir die Haflinger mit
denen die Alm und die Touristen versorgt wurde, ein Lift war
keiner vorhanden. Als kleine Zwischenmahlzeit schmeckten uns der
Bergkäse und der Schinken hervorragend. Nachdem es kühler
wurde, gingen wir in die Gaststube, der Senn zündete die
Petroleumlampe an und wir hatten zum ersten Mal auf unserer Tour
richtige Hüttenromantik. Kurz vor 22.00 Uhr gingen wir in den
Schlafsack. Diesmal hatten wir genügend Platz, es war aber auch
laut, der Regen hämmerte gegen das Blechdach.
5) Montag, 12. September 1988 (Willersalpe - Hinterstein - Oberstdorf
- Niefern)
Nachdem Frühstück stiegen wir mit
zwei anderen Wanderern in einer Stunde, bei strömendem Regen,
nach Hinterstein (860m) ab. Die Beiden nahmen uns in ihrem Auto
mit nach Sonthofen, wo wir gleich Anschluss auf den Bus nach
Oberstdorf hatten. Als ich mein Auto starten wollte bemerkte ich,
dass die Batterie leer war. Ich hatte vergessen vor 4 Tagen das
Licht auszuschalten. Zum Glück war gleich nebenan eine
Esso-Tankstelle, wo ich freundlicherweise Starthilfe bekam. Kurz
vor 12.00 Uhr verließen wir Oberstdorf und waren um 14.15 Uhr in
Niefern.
Fazit: Wir waren vom Bergwandern begeistert. Die Tour war
optimal für Einsteiger gewesen, nicht schwierig, aber doch mit
kleineren Herausforderungen. Uns war klar, dass wir unsere
Ausrüstung verbessern und vervollständigen mussten, wenn wir
uns an schwierigere Unternehmungen wagen wollten. Aber der Anfang
war gemacht, nächste Jahr werden wir sicher wieder zusammen
unterwegs sein.
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